Zeitmaschine: Sonntag, 29. September 2024, 17 Uhr. Die erste Hochrechnung nach der Nationalratswahl offenbart die bittere Wahrheit, die so überraschend ist wie ein Wiener Schnitzel auf der Speisekarte. Das Unvermeidliche ist eingetreten. Österreich wird nicht mehr von der Sonne wachgeküsst, sondern von einem mächtigen Rechtsruck förmlich aus dem Bett katapultiert. Experten sind sich einig: Die Uhr wurde offiziell auf „so ca. 1933“ zurückgedreht, als die Grenzen noch „feste Mauern“ und die Familienbilder schwarz-weiß waren. „Endlich!“, seufzen viele, während sie ihre (Alu-)Hüte aufsetzen und wieder anfangen, vor dem Radio zu sitzen.

„Es lebe das Heimatministerium!“

In den Redaktionen überschlagen sich die Headline-Maschinen: „Rechtsruck“, „Dramatische Wendung“ und natürlich „Schockierendes Ergebnis!“ (Wobei das ‚Schockierende‘ lediglich darin besteht, dass es nicht schockierend ist.) Die Expertenrunde im Fernsehen diskutiert munter: „War es die Angst vor der Zukunft oder einfach nur die Liebe zur Vergangenheit?“ Ein Kommentator entgegnet trocken: „Vielleicht war es auch einfach die Angst vor schnellem Internet.“

Die siegreichen Politiker der neuen Regierungskoalition feiern. Der designierte Kanzler tritt ans Mikrofon: „Es ist Zeit, Österreich wieder zu einem Land zu machen, in dem die Menschen stolz darauf sind, dass hier alles so bleibt, wie es immer schon war – ein Land ohne Kompromisse, aber dafür mit umso mehr Schranken. Wir werden das Land endlich von gefährlichen Trends wie internationaler Zusammenarbeit, Umweltschutz und Menschenrechten befreien!“

Als Highlight der neuen Legislaturperiode wird bereits ein eigenes Heimatministerium angekündigt, das sich um „Identitätssicherung“ kümmern soll – auf Deutsch: um das Aufstellen noch höherer Grenzzäune. Und – ganz wichtig: Jede politische Entscheidung wird künftig mit einem Seidl Bier und einem zünftigen Marsch der Blasmusik unterlegt sein.

„Heim ins Reich“ – aber nur, wenn es vorher ordentlich geputzt wurde

Die Siegerpartei hat große Pläne. Im Wahlprogramm stand auf Seite 2 (gleich nach dem Punkt „Freiheit für alle – außer für die anderen“), dass man den Begriff „Heimat“ jetzt auch gesetzlich definieren will. Wer nicht mindestens drei Generationen Ahnen aus dem gleichen Bezirk vorweisen kann, bekommt einen automatischen Umzugsgutschein in die „urbane Randzone“. Inklusive Umzugs-Lkw – bezahlt von Steuergeldern, die ja endlich sinnvoll verwendet werden sollen.

Ein weiterer Kernpunkt des Programms der mutmaßlich neuen Kanzlerpartei: Das „Fremdsprachenverbot“ – nicht zu verwechseln mit dem „Fremdenverbot“, das ja schon noch länger diskutiert wird. Um das Sprachbewusstsein zu stärken, dürfen ab 2025 nur noch Mundarten – selbstverständlich ausschließlich genderfrei – gesprochen werden, die im „Atlas der heimatlichen Zungen“ eingetragen sind. Eine Ausnahme gilt für Touristengebiete, dort wird eine neue Universalsprache eingeführt: „GrüßdiLand“. Sie besteht aus den Wörtern „Grüß Gott“, „Bier“, „Kaiserschmarrn“, „Schnitzel“ und „Passt scho!“.

„Modernisierung? Das hatten wir doch schon mal!“

Natürlich dürfen die neuen alten Versprechen nicht fehlen: mehr Sicherheit, weniger Fremde, härtere Strafen – und natürlich das große Thema der „Digitalisierung“. Aber keine Sorge, damit ist nicht etwa die flächendeckende Einführung von Breitbandinternet gemeint. Nein, die neue Regierung hat etwas viel Besseres im Sinn: Eine App, die anzeigt, wo der nächste Stammtisch mit Gleichgesinnten stattfindet.

„Wir werden die Digitalisierung für unsere Werte nutzen“, verspricht der Innenminister in spe, während im Hintergrund schon die ersten Apps installiert werden, die automatisch Fake News über die neuesten Klimawandel-Mythen verbreiten. „Denn wahre Freiheit bedeutet, selbst zu entscheiden, an was man glauben will – ob es nun Fakten sind oder alternative Fakten.“

Schulpolitik: Zurück zur Kreidetafel!

Entsprechend wird auch in der Bildungspolitik kräftig an den Stellschrauben gedreht, wo das kritische Denken abschafft und durch „gesundes Volksempfinden“ ersetzt wrid. Weg mit den Tablets, den digitalen Tafeln und diesem neumodischen Schnickschnack! Zukünftig werden die Kinder wieder lernen, wie man mit Feder und Tinte schreibt. „Das schult die Fingerfertigkeit und hilft den Jungen, sich wieder wie in einer richtigen Gemeinschaft zu fühlen“, erklärt ein Sprecher, der anonym bleiben möchte, weil er selbst heimlich ein braunes »iPhone 88 pro« besitzt. Man spricht von einer „tiefen Rückbesinnung auf die Werte der Vergangenheit“. Gerüchteweise sollen auch die altbewährten Rohrstöcke ein Comeback feiern.

Eine alte Kreidetafel aus Holz zum Schreiben, Stichwort Zeitmaschine.
(c) Pixabay.com
So sehen die neuen/ alten Tablets für unsere Schüler aus.

EU-Austritt: Per Zeitmaschine zurück zu den Wurzeln, aber erstmal Pause machen

Und als Höhepunkt der rechten Wahlrevolution plant Österreich eine Art EU-Austritt-Light. Man wolle ja „schon noch dazugehören“, aber nicht so richtig. „Eine Pause von Brüssel“, lautet die Devise, weil man auch mal „durchatmen“ müsse. Schließlich könne ein zu intensives Zusammenleben die österreichische Seele belasten. Eine „EU-Auszeitkarte“ für ungestörte Jahre mit „unabhängigen Entscheidungen“ wird vorbereitet.

Abschließende Worte

Es ist also einiges los in der Alpenrepublik, aber keine Sorge: Nach ein paar Jahrzehnten kann sich die politische Landschaft bestimmt wieder beruhigen. Bis dahin freuen wir uns auf eine Rückkehr zu Katalysator freien Autos , Volksmusik und Schwarz-Weiß-Fernsehen. Und wer nicht ins Bild passt, der muss sich halt anpassen – oder auswandern. Aber nur so lange, bis die Grenzen dann wirklich zu sind.

Österreich ist für die Zukunft bereit – aber nur, wenn die Zukunft aussieht wie die Vergangenheit.

K2 – wir haben schon eine einsame Insel gefunden und planen alles weitere. Seit 1999.

(Bilder: AdobeStock, Pixabay.com)

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