Es ist ein goldener Herbsttag auf der Münchner Theresienwiese. Die Maßkrüge klirren, die Blaskapellen spielen, und das Oktoberfest, kurz die Wiesn, läuft wie geschmiert. Doch auch die Wiesn-Wirte müssen sich dem Wandel der Zeit anpassen. Die steigenden Preise für Rohstoffe, Energie und natürlich den edlen Gerstensaft drücken auf die Stimmung – und auf deren Umsatz. Doch jetzt haben die Wiesn-Bosse eine bahnbrechende Lösung gefunden: Wer auf der Wiesn »nicht« speibt, darf nicht heimgehen. Und wer gespieben hat, muss vor dem Heimgehen mindestens zwei weitere Maß Bier bestellt haben.

Exkurs für Nicht-Bayern
Speiben, auch Auswerfen, Kotzen, das Essen recyclen, mit Melk telefonieren, die Fische füttern, den Porzellangott anbeten, dem Lama Konkurrenz machen, die Straßenbemalung erneuern, das Buffet retour schicken, einen Regenbogen spuken, den Magen umdrehen, die gute Laune wegwerfen, oder das Gulasch rückwärts essen genannt, bezeichnet das mehr oder weniger fröhliche Übergeben nach einer Überdosis Maßbier und Schweinshaxe.

„Das ist doch gelebte Tradition“, sagt Josef „Sepp“ Huber, seines Zeichens Sprecher der Wiesn-Wirte, stolz im Gespräch mit K2-Magazine. „Früher haben die Burschen nach ein paar Mass auch schon das eine und andere mal neben das Bierzelt gespuckt, das gehört dazu. Heute wollen wir das Ganze mit einem kleinen Umsatzanreiz verknüpfen. Wir haben nämlich festgestellt, dass viele Besucher, sobald sie sich erleichtert haben, direkt aufgeben und nach Hause gehen. Das geht uns natürlich auf den Umsatz“, erklärt Huber weiter. „Dabei gibt es doch keinen Grund, nach dem Speiben aufzuhören. Das ist doch nur die Halbzeit!“

Man will also das Beste aus der Situation machen. Statt die Leute heimzuschicken, nachdem ihnen das Maß überläuft, sorgt man dafür, dass sie den Feierabend noch etwas hinauszögern – und die Kasse der Wirte ordentlich klingelt.

After-Speib-Special-Wiesn-Erlebnis

Eine pfiffige Marketing-Kampagne mit dem Slogan „Speiben und bleiben“ soll den Gästen vermitteln, dass es sich dabei um ein „ganz besonderes After-Speib-Special-Wiesn-Erlebnis“ handelt. „Nirgends sonst darf man nach einem kleinen Magenvorfall noch einmal so richtig nachlegen“, verspricht die Kampagne. Dazu gibt es ab sofort spezielle „Rückkehrer-Bändchen“, die Gäste auszeichnen, die nach einer kurzen Pause im „Pavillon der Erlösung“ wieder bereit sind, die nächsten Maß zu bestellen.

Doch das ist noch nicht alles. Besonders „fleißige“ Wiesn-Gäste, die es auf fünf oder mehr Speib-Runden schaffen, haben die Chance auf den begehrten „Goldenen Maßkrug“, eine Trophäe, die in den sozialen Medien schon jetzt als Must-Have der Wiesn 2024 gehypt wird. Dazu gibt es ein exklusives Foto mit dem Münchner Bürgermeister. „Das wird sicher legendär“, schwärmt eine Wiesn-Besucherin, die bereits in den Startlöchern für die Teilnahme steht. „Schließlich sind wir hier auf der Wiesn, nicht in einer Wellness-Oase.“

Der erste Testlauf verlief erfolgreich. „Zuerst war ich skeptisch“, gesteht Besucher Markus aus Rosenheim, „aber dann hab ich mir gedacht: Warum nicht? Lieber noch eine Maß als nicht den Heimweg antreten zu dürfen!“ Wiesn-Legende „Bierkönig Franz“ fügt hinzu: „Ein echter Bayer trinkt durch, bis es nicht mehr geht. Und wenn’s nochmal hochkommt, dann macht man halt weiter – gehört dazu!“

Ein Mann, der zahlreiche Maß Bier trägt, Stichwort Wiesn.
(c) Pixabay.com
Früher wäre Markus nach dem Speiben heim gebracht worden. In diesem Jahr bringt man ihm noch ein paar Bier, bevor er heim darf.

Die Wirte sind begeistert. Schon jetzt berichten sie von einer Umsatzsteigerung von 19,7 Prozent. „Das wird der Wiesn neuen Schwung verleihen“, frohlockt Sepp Huber und prostet in die Runde.

K2 – wir gehen nie auf die Wiesn, sondern sind Heimspeiber. Seit 1999.

(Bilder: AdobeStock, Pixabay.com)

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