Bei den jüngsten Wahlen (der Nationalratswahl und der Landtagswahl in Vorarlberg – aber auch schon davor) zeigt sich ein paradoxes Phänomen, dass Parteien auch mit Verlusten als „Wahlsieger“ hervorgehen. Bei der Nationalratswahl verlor beispielsweise die ÖVP im 2-stelligen Prozentbereich, bleibt jedoch trotzdem bestimmende Kraft im Land. Ähnliches gilt für die Landtagswahl in Vorarlberg: Die ÖVP erlitt mit 5,3 Prozent deutliche Verluste (in einigen Gemeinden wie Schnifis sogar knapp 10 Prozentpunkte), blieb jedoch mit über 38 Prozent die führende Partei.

Damit einhergehende ist ein „interessantes“ Muster zu beobachten: Selbst bei Verlusten schaffen es große Parteien oft, den ersten Platz zu verteidigen, was dann als „Wahlsieg“ interpretiert und triumphierend vom „klaren Wählerauftrag“ gesprochen wird. „Wir haben nur 5 Prozentpunkte verloren – das ist ein eindeutiger Vertrauensbeweis der Wählerinnen und Wähler, denen ich hiermit ganz herzlich für ihre Stimme danken möchte!“

Aber ein derartiges „lügen mit Statistik“-Verhalten scheint in der Republica Banana eine gewisse Tradition zu haben. So gibt es doch einige Beispiele aus der österreichischen Politik, die das Phänomen widerspiegeln, dass Parteien oder Politiker trotz signifikanter Verluste als Wahlsieger wahrgenommen werden. Hier ein paar passende Fälle:

SPÖ bei der Wien-Wahl 2020

Die SPÖ Wien unter Michael Ludwig verlor in absoluten Zahlen an Stimmen, konnte aber ihren Stimmanteil in Prozent leicht verbessern. Obwohl andere Parteien in der Stadt zulegten, wurde die SPÖ als »der« Wahlsieger gefeiert, obwohl sie im Vergleich zur vorangegangenen Wahl einige Stimmverluste verzeichnete.

ÖVP bei der Nationalratswahl 2019

Sebastian Kurz’ ÖVP verlor bei dieser Wahl zwar nicht so viele Stimmen, aber die FPÖ hatte fast 10 Prozentpunkte verloren (von 26 Prozent auf 16 Prozent), und dennoch wurde die FPÖ von Parteifunktionären als „starke Kraft“ im Land präsentiert. Das witzige daran: Obwohl die FPÖ so dramatisch verloren hatte, betonte man in der öffentlichen Kommunikation, wie wichtig die Partei weiterhin sei.

Landtagswahl Vorarlberg 2019 (ÖVP)

Die Landtagswahl in Vorarlberg 2019 ist ein weiteres Paradebeispiel für dieses Phänomen: Die ÖVP erreichte zwar (unglaubliche) 43,5 Prozent der Stimmen und galt als klarer Wahlsieger, verlor dabei aber 8,8 Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl 2014. Trotz dieses deutlichen Verlustes galt die Partei weiterhin als führende Kraft. „Die Verluste von fast 9 Prozent beweisen: Wir haben die Wähler noch nicht genug enttäuscht. Wahrscheinlich wären wir mit 15 Prozent Verlust noch immer die stärkste Partei!“, so ein hochrangiger ÖVP-Politiker damals off records.

Nationalratswahl 2017 (SPÖ)

Ein anderes Beispiel ist die Nationalratswahl 2017, bei der die SPÖ 26,9 Prozent der Stimmen erzielte, was einen leichten Zugewinn von 0,1 Prozent bedeutete, aber immer noch als sehr schwaches Ergebnis galt. Obwohl sie nicht wirklich zugelegt hatten, wurden sie als Zweitplatzierte und potenziell starke Oppositionspartei gefeiert, während sie gleichzeitig unter massiver innerparteilicher Kritik standen. „Unsere Partei bleibt mit 0,1 Prozent Zuwachs stabil, und das nach einer jahrzehntelangen Achterbahnfahrt. Die Wähler wissen unsere Unbeweglichkeit zu schätzen!“, erklärte ein damaliger Nationalratsabgeordneter der Sozialdemokraten.

Nationalratswahl 2017 – FPÖ (HC Strache)

Bei der Wahl 2017 erzielte die FPÖ unter Heinz-Christian Strache 26 Prozent der Stimmen, was ein Anstieg gegenüber der Wahl 2013 war. Aber als die FPÖ nach der Ibiza-Affäre 2019 bei der folgenden Wahl NUR 10 Prozent verlor, also nur noch 16,2 Prozent erhielt, wurde der Verlust noch immer relativiert. Parteiführer Strache erklärte, die FPÖ sei immer noch „stark“ und man hätte „Schaden begrenzt“.

SPÖ bei der Nationalratswahl 2006

Die SPÖ unter Alfred Gusenbauer verlor im Vergleich zur vorherigen Wahl rund 6 Prozentpunkte auf 35,3 Prozent und damit viele Sitze im Parlament. Dennoch wurde die Partei als Wahlsieger gesehen, weil sie mit minimalem Vorsprung vor der ÖVP landete und somit den Anspruch auf das Kanzleramt stellte. Obwohl sie weniger Stimmen hatten als zuvor, feierten sie den Sieg.

Ein Raum nach einer Party mit Konfetti und Luftballonen auf dem Boden, Stichwort Wahlen.
(c) AdobeStock
Egal, wie hoch die Verluste sind, gefeiert wird immer.

Fazit zur Interpretation der Ergebnisse heimischer Wahlen

Vielleicht ist das österreichische Erfolgsrezept einfach, die Erwartungen so geschickt zu senken, dass am Ende jeder Verlust wie ein Sieg aussieht. „Wir haben nur 10 Prozent verloren? Super, das ist ja deutlich weniger als die erwarteten 15! Klarer Erfolg!“

Und dann gibt’s natürlich noch die anderen Parteien, die jubeln: „Seht ihr, wir haben zwar nicht gewonnen, aber wir haben auch nicht so viel verloren wie die!“ Und am Ende feiern dann alle gemeinsam und machen sich bei dem einen und anderen Bier die nächste Regierung aus.

Solche Fälle finden sich jedenfalls zu Hauf in den heimischen Polittagebüchern. Der Witz dabei liegt in der Umkehr der Logik, bei der Verluste in der Wahldynamik auf absurde Weise als Sieg verkauft werden. Man könnte meinen, dass die Parteien in Österreich nur dann wirklich jubeln, wenn sie deutlich verloren haben – schließlich kann man erst dann sicher sein, dass man in der politischen Landschaft fest verankert ist. Und Bleibt!

#VerkehrteWelt #PolitikÖsterreich #PolitikLogik

K2 – wir sind die geborenen Verlierer. Also Gewinner. Seit 1999.

(Bilder: AdobeStock)

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