Es gibt eine neue alte Spezies, die Reisende auf Flughäfen weltweit in Aufruhr versetzt: die Gate-Läuse. Nein, wir sprechen hier nicht von Läusen, die es sich in unseren Haarprachten gemütlich machen – diese neuartige Plage hat nichts mit krabbelnden Insekten zu tun, sondern beschreibt ein Phänomen der menschlichen Verhaltensbiologie. Gate-Läuse sind jene unerschütterlichen Passagiere, die sich bereits »Stunden« vor dem Boarding wie Wachtposten am Gate versammeln, als ginge es um die letzten verfügbaren Sitzplätze auf einem Rettungsboot auf der Titanic.

Diese Spezies zeichnet sich durch besondere Merkmale aus: Sie erkennen sie an ihrer steifen Körperhaltung, dem sorgsam verpackten Rucksack als Pufferzone und dem ständigen Blinzeln zum Boarding-Display. Auch scheinen sie an einem erstaunlichen Kurzzeitgedächtnis zu leiden – wie sonst ließe sich erklären, dass sie regelmäßig die Sitznummer und die Boardingzeit auf dem Ticket kontrollieren, obwohl sich daran seit dem letzten Blick nichts geändert hat? Das Gate ist ihr Revier, und wehe dem, der es wagt, in ihren Umkreis einzudringen! Es scheint, als seien sie der festen Überzeugung, dass das Flugzeug früher abheben könnte, wenn sie nur fest genug am Gate kleben.

Doch die Gate-Läuse haben ihre Gründe. Ein bevorzugtes Argument lautet: „Wer zuerst kommt, sitzt zuerst!“ Zwar widerspricht dies der Idee eines reservierten Sitzplatzes, doch Gate-Läuse lassen sich von der Logik nicht beirren. Schließlich kann sich jeder Sitz jederzeit ändern, und wer am Gate lauert, hat angeblich die besten Chancen, diesen potenziellen Wechsel zu überwachen.

Gate-Läuse: Subspezies der „Early-Bird-Bucher“

Die evolutionäre Theorie vermutet, dass Gate-Läuse eine Abspaltung der klassischen „Early Bird“-Urlaubsbucher darstellen. Während sich Letztere bereits ab Mitte August um den Sommerurlaub im übernächsten Jahr kümmern, besetzen Gate-Läuse das finale Territorium: das Gate selbst. Hierbei sind sie nicht wählerisch – ob das Gate bereits mit ihrem Flug beschriftet ist oder nicht, spielt keine Rolle. Das Warten an einem leeren Gate ist schließlich nichts weiter als ein Zeichen von wahrer Reisevorbereitung.

Der Rest der Fluggemeinde – die „Normalen“ – sieht das Treiben der Gate-Läuse meist kopfschüttelnd und aus sicherer Entfernung. Und vielleicht fragen sie sich insgeheim: „Könnte es sein, dass diese Gate-Läuse etwas wissen, was wir nicht wissen?“ Denn wer weiß, vielleicht wird irgendwann der frühe „Gate-Läuserich“ tatsächlich belohnt, während wir anderen mal wieder – für Sekundenbruchteile – in der Angst leben, unseren vorreservierten Sitzplatz im Flugzeug zu verpassen.

Wartende Menschen mit Handgepäck, Stichwort Gate-Läuse.
(c) AdobeStock
Mittlerweile werden auch eigene „Am-Gate-Warten-Kurse“ bei Humbold angeboten.

Wahrscheinlich wird es die Gate-Läuse für immer geben, so wie es auch die Sicherheitskontrollen und Duty-Free-Shops gibt. Sie gehören zu jedem Flughafen wie die Start- und Landebahnen. Ob man sie als charmantes Ärgernis oder absolute Nervensägen sieht, bleibt jedem selbst überlassen. Klar ist jedoch, dass Gate-Läuse das Flughafen-Erlebnis auf ihre ganz eigene Art „bereichern“.

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